Kuratorinnenführung durch die Ausstellung “Unsere Menschen”
Das Stadtmuseum Ingolstadt lädt am Sonntag, 18. Februar, um 15 Uhr, zur Kuratorinnenführung durch die Ausstellung „Unsere Menschen. Sinti und Roma in Ingolstadt vor, während und nach der NS-Verfolgung.“
Die Redegewandtheit ihrer Mutter hat großen Anteil daran, dass Sonja B. im Dezember des vergangenen Jahres ihren 90. Geburtstag feiern konnte. 1943 sollte sie gemeinsam mit ihren Eltern und vier ihrer Geschwister von Wien aus nach Auschwitz deportiert werden. Allerdings wurde die Wohnung der Familie kurz zuvor durch eine Bombe zerstört und Sonjas B.s Mutter beschloss sich an eine Behörde zu wenden. Sonja B. berichtete später:
„Meine Mutter hat auf den ‚Zigeuner-Referenten‘ dort eingeredet. Sie war eine sehr gebildete Frau und konnte gut reden. Sie hat ihn angefleht, dass er uns aufs Land ziehen lassen soll. Der Mann hat uns angesehen und sich gewundert über die hellen Haare und die blauen Augen. Schließlich ging ein Ruck durch ihn, das war ganz merkwürdig. Er hat auf unsere Dokumente einen Stempel gedrückt und wir durften gehen. Wir mussten nicht nach Auschwitz.“
Sonja B. und ein Teil ihrer Familie überlebte die Zeit des Nationalsozialismus in einem sonst als Ferienhaus genutzten Haus in Obersulz. Von Bauern aus der Umgebung erhielten sie Nahrungsmittel. Heute lebt Sonja B. in Ingolstadt. In ihrer Wohnung hängt ein vergrößertes Schwarzweiß-Foto aus den 1930er Jahren, das ihre Eltern mit den insgesamt 21 Kindern zeigt. 13 von ihnen wurden in Konzentrationslager deportiert, da sie 1943 als junge Erwachsene nicht mehr bei den Eltern gewohnt hatten.
Mindestens 60 Angehörige der Sinti und Roma, die vor oder nach 1945 in Ingolstadt und der Region gelebt haben, wurden Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. Die Geschichte von Sonja B. ist eine von 18 Einzel- und Familienbiografien, die exemplarisch im Mittelpunkt der Ausstellung stehen. Sie werden in Verbindung gesetzt zu historischen Ereignissen, die auch für Sonja B. und ihre Familie gravierende Auswirkungen hatten. Darüber hinaus wird die sogenannte „zweite Verfolgung“ nach 1945 thematisiert: Der lange Weg zu einer Anerkennung des Völkermordes, der Kampf um Entschädigungsleistungen und gegen die polizeiliche „Sondererfassung“. Kuratorin Agnes Krumwiede betrachtet bei ihrem Rundgang auch die aktuelle Situation für Sinti und Roma in Europa, Deutschland und in Ingolstadt.