Einer der historisch interessantesten Teile Ingolstadt ist das Prinzenviertel. Eng mit der Entwicklung der Stadt verbunden: das Bahnhofsviertel in dem die Eisenbahner – jene, die den Zugverkehr zum Laufen brachten und andere, die im riesigen Reichsbahnausbesserungswerk das Material pflegten – zu Hause waren.
Als das alte Ingolstadt um 1900 die Fesseln des Glacis sprengte, entstanden zwei Vorstädte, im Norden das Josefsviertel, im Süden das Prinzenviertel – eine Arbeitervorstadt am Hauptbahnhof.
Der Geschichte, der späteren Entwicklung dieses Viertels, dem Bau der Eisenbahnerwohnungen, dem Baustil der Industrie-Arbeiter haben der Jahrhundertwende, dem Lebensgefühl des Südviertels – besonders aber auch der gelungenen Sanierung dieses Stadtquartiers, das die kluge Politik des damaligen Oberbürgermeisters Peter Schnell gemeinsam mit der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft und der Sparkasse Ingolstadt vor einer Luxussanierung zulasten der hergebrachten Mieterschaft bewahrte und zu einem modernen und anspruchsvollen Wohngebiet gestaltet, geht der Bild-Text-Band „Das Ingolstädter Prinzenviertel. Geschichte und Sanierung.“ nach, der zu Jahresbeginn erschienen ist.
Der mit zahlreichen Fotografien, Plänen, Listen und Zeichnungen – bebilderte Text des Ingolstädter Historikers Gerd Treffer schildert die Geschichte des Viertels und des dazugehörigen Teils der Münchener Straße. Listet für 1923 Wohnung für Wohnung die Mieter, ihren Beruf, die Zahl der Bewohner und die Mietkosten auf, schreibt die Zerstörungen durch die Bombardierung des Bahnhofs gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, die Gründung des „Stadtbau“ Ingolstadt, die Planungen des Architekturbüro und das „Sanierungsballett“ – bei dem Mieter von einem Block zum anderen zogen, um die freiwerdenden Häuser zu sanieren.
Die Archivarin Martina Pohl schildert in einem eigenen Beitrag das Wirken des „Vorstadtvereins Hauptbahnhof“ in den 20er und 30er Jahren, eines der ersten „Bürgerinitiativen“ in Ingolstadt. Während der Journalist Thomas Michel darstellt, wie das Versprechen der Planer eingelöst wurde. Mit der Sanierung zugleich ein „urbanes Subzentrum“ mit eigener Lebensqualität zu schaffen. Wolfgang Friedl hat die Gestaltung des Titelbildes besorgt. Druck und Gestaltung das Ingolstädter Unternehmen Printservice. Nicht vergessen wird in der Darstellung das der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft wichtige Thema der Kunst am Bau unter der Überüberschrift „Wach geküsst“.
Eine Besonderheit stellt der Fotoblock Vorher – Nachher – Galerie dar, in der ganzzeitige Fotos der Häuser heute mit dem Zustand der Sanierung gegenübergestellt werden. Beschrieben und mit Fotos unterlegt wird auch das Leben im Viertel in früherer Zeit als Schulkind oder am Waschtag. Recherchen und Material stammen aus verschiedenen Archiven – Stadtarchiv, dem Geheimen Hausarchiv Wittelsbach, dem Archiv der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft, dem Archiv der Sparkasse-Ingolstadt-Eichstätt mit den Beständen der Stadtbau GmbH. Gastbeiträge wurden beigesteuert von Altbürgermeister Peter Schnell in dessen Amtszeit die ambitionierte Sanierung fiel und von Architektin Sibylle Ebe, die die Sanierung vorbereitet, geplant und organisiert hat.
Folgende Fragen finden Antworten
• warum haben die Gebäude des Prinzenviertels meist keine Eingänge vor der Münchener Straße, sondern nur von den Innenhöfen her
• wer sind die Prinzen Rupprecht, Leopold, Heinrich, Franz und die Prinzessin Elisabeth, nach der die Straßen benannt wurden, obgleich die Monarchie in Bayern durch den Freistaat ersetzt war
• wie viele Fußgängerstege gab es über die Gleisanlagen und wo lagen sie
• wozu dienten die großen Innenhöfe mit Gartenarbeiten ursprünglich – wie hat man sie erhalten und trotzdem die Park- und Garagenfrage so gelöst, dass die Innenflächen erhalten blieben
• wie gehören die „Neun“ als Kulturzentrum, das Jugend- und Trendsportcentrum und die Denkmal-Lok heute dazu, zum neuen Prinzenviertel
Gerd Treffer
Das Ingolstädter Prinzenviertel. Geschichte und Sanierung – mit Beiträgen von Martina Pohl, Thomas Michel und Wolfgang Friedl.
Herausgegeben von der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Ingolstadt GmbH. (Bd. 1 der Reihe: Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Ingolstadt: Unsere Geschichte); 138 Seiten. Ingolstadt, 2022. ISBN 978-3-98-207704-8 Preis: 18,90 €
Erhältlich an der Kasse des Stadtmuseums Ingolstadt. Auf der Schanz 45, 85049 Ingolstadt.