Was sich hinter dem eher schlichten Titel „Stadt und Student“ versteckt, ist im wahrsten Sinne eine Schau: Das Ingolstädter Stadtmuseum steuert zum Wissenschaftsjahr 2022 eine Sonderausstellung mit außerordentlichen Exponaten bei, die man in dieser Kombination sicherlich nicht wieder sehen wird. Nehmen wir zum Beispiel die Abschrift der Stiftungsurkunde des Georgianums aus dem Jahr 1494, eine prachtvolle Promotionsurkunde aus dem 18. Jahrhundert, eines der ältesten Matrikelbücher aus der Zeit um 1590, eines der wenigen überhaupt noch existierenden Exemplare eines Mercator Globus, das prachtvolle Zepter der Artisten-Fakultät aus dem 16. Jahrhundert oder das Kräuterbuch des Leonhart Fuchs. Die „Komposition“ der Ausstellung lag in den Händen von Dr. Stephanie Righetti-Templer, die es bei der Auswahl nach eigenen Angaben nicht leicht hatte. So viel gibt es zu berichten und zu bestaunen, wenn es um die erste bayerische Landesuniversität geht.
Die Apians, der Scheiner und Herr Eck
Eines der Lieblingsstücke von Kuratorin Dr. Stephanie Righetti-Templer ist ein Faksimile des „Astronomicum Caesareum“ von Peter Apian, einem der großen Astronomen in Ingolstadt, der noch dazu als Drucker seine Werke selbst publiziert hat. „In dem Buch sind etliche bewegbare Scheiben, anhand derer man die Bewegung der Sterne, von Sonne, Mond und den Planeten nachvollziehen kann. Und auch wenn hier noch die Erde das Zentrum des Universums ist, stimmen seine Berechnungen trotzdem.“ Im Museum machte man dazu sogar die Probe aufs Exempel und überprüfte Apians Berechnungen anhand des Geburtstags von Kaiser Karl V. „Der Mars steht exakt an der Stelle, die auch eine moderne Berechnung heute ergibt.“ Peter Apian zählt zu den „Promis“ der Ingolstädter Universitätsgeschichte. Er war Professor für Mathematik – genauso wie sein Sohn Philipp, der mit seiner Vermessung Bayerns bis heute ein ganz großer Name der Wissenschaft ist. Nicht weniger bekannt: Christoph Scheiner. Auch ihm widmet die Ausstellung ein Kapitel, das wiederum eng mit den Jesuiten in Ingolstadt zusammen hängt. Die Ordensgemeinschaft prägte maßgeblich das Universitätsgeschehen und prominente Mitglieder wie Petrus Canisius und Johannes Eck sind bis heute ein Begriff. Letzterer wird nach Meinung von Dr. Stephanie Righetti-Templer als der konservative Gegenspieler Luthers in eine Ecke geschoben, die ihm gar nicht entspricht. Als „Beweis“ ist in der Ausstellung ein besonderes Buch zu finden: „Eck hat auch die Bibel übersetzt, weil es ihm wahnsinnig wichtig war, dass verstanden wurde, was gesagt und gepredigt wird.“ Weiteren bekannten Namen wie Reuchlin, von Ickstatt, Aventin und Leveling werden in dieser Ausstellung auch die dazu gehörigen Personen zugeordnet – und so lässt sich auch entdecken, wer denn diese Namensgeber von Straßen oder Schulen überhaupt waren.
Strenge Sitten und raufende Studenten
Handwerk, Buchdruck, Musik und Kunst erlebten durch die Universität eine Blütezeit in Ingolstadt, doch was wäre eine Uni ohne ihre Studenten. Hier erübrigt sich das Gendern, denn es waren nur männliche Studierende zugelassen, die z.B. in sogenannten Bursen, also Studentenheimen, untergebracht waren. Hier herrschten strenge Regeln, was aber aufgrund des jungen Alters der Studenten wohl durchaus angebracht war. Aus heutiger Sicht eher abstoßend wirken die „Rituale“, die neue Studenten bei ihrer Deposition zu erleiden hatten und dass sich die große Zahl an jungen Männern in der Kriminalstatistik (und in der Geburtenstatistik) nieder schlug, ist keine Überraschung. Ärger mit den Nachtwächtern wurde regelmäßig verzeichnet, ebenso Raufereien, Kuppelei oder übermäßiges Zechen. Was allerdings überraschend war, ist die Entdeckung des Karzers im Georgianum. Ihm und seiner Erforschung ist auch ein Bereich der Ausstellung gewidmet: „Er ist ein Gänsehautfund, besonders wenn man sich mit den Inschriften auseinandersetzt. Es ist ein neues Puzzleteil, das zum universitären Leben dazu kommt und ist schon spektakulär.“
Was 1472 in Ingolstadt begann, nahm 1800 ein plötzliches Ende. Die Landesuniversität musste nach Landshut umziehen, danach nach München, wo sie heute Ludwig-Maximilians-Universität heißt. Die 328 Jahre in Ingolstadt haben die Stadt geprägt – wie und durch wen, das ist in der Ausstellung „Stadt und Student – Bayerns erste Landesuniversität“ herauszufinden. (ma)
Laufzeit: 19. Juni bis 2. Oktober
Öffnungszeiten Di-Fr: 9-17 Uhr, Sa-So: 10-17 Uhr
Stadtmuseum im Kavalier Hepp
Auf der Schanz 45
85049 Ingolstadt
0841/305-1885
www.ingolstadt.de/stadtmuseum