Da steht der Besucher nun im Bayerischen Armeemuseum und bestaunt zum Beispiel Wams und Kniehose eines Conquistadoren. Einen Stock höher betrachtet derweil eine Besucherin die Szene aus dem Dreißigjährigen Krieg, die lebensgroß und zum Teil in Originalausstattung einen großen Bereich des Raumes einnimmt. Jeder nimmt Eindrücke des Museumsbesuchs mit nach Hause, aber die wenigsten werden sich die Frage stellen, wie beispielsweise das Wams aus der Zeit um 1560 in die Vitrine kam, wie es gepflegt wird und wer diese Pflege überhaupt übernimmt.
„Ein Museumsbetrieb ist erheblich mehr als das, was man sieht,“ betont Dr. Ansgar Reiß, Direktor des Bayerischen Armeemuseums in Ingolstadt. Zehn hochspezialisierte Handwerker sind hier angestellt und zu ihren Kernaufgaben gehört es, die historischen, nicht selten fragilen Objekte vor dem Verfall zu bewahren. Von der Lederpflege über die Rostentfernung an Metallobjekten bis hin zum Nachschmieden einzelner Teile ist ständig etwas zu tun, ganz zu schweigen von der „Betreuung“ empfindlicher Materialien wie etwa Fahnenseide.
In den Museumswerkstätten werden dazu auch alte Techniken und Materialien eingesetzt (Welcher historische Leim darf´s denn sein?) und mit neuen Methoden gearbeitet, die gar nicht neu sind, etwa wenn wie einst Leinöl zur Pflege von Gewehrschäften eingesetzt. Man nehme grundsätzlich immer mehr Abstand von chemischen Mitteln oder Kunststoffen und greife vermehrt zu den Materialien und Werkstoffen, die ursprünglich verwendet wurden, so Konservator Dr. Tobias Schönauer. Grundsätzlich geht es nicht darum, den Ursprungszustand eines Ausstellungsstücks wieder herzustellen, sondern wie Dr. Reiß es nennt: „Einen Zustand zu managen.“ Die Manager sind in diesem Fall Sattler, Buchbinder, Schreiner, Metallhandwerker oder Fahnensticker: „Wir konservieren hier auch historische Handwerke,“ so Schönauer.
Ohne Modellbauer würden die Ausstellungen außerdem einiges an Attraktivität einbüßen. Und so ist das Museum in der glücklichen Lage, Spezialisten im Haus zu haben, die nicht nur die Objekte regelmäßig analysieren, pflegen und dies dokumentieren, sondern auch um die räumlichen Gegebenheiten mit Einflussfaktoren wie Luftfeuchtigkeit, Wärme oder Licht genau Bescheid wissen.
„Der Klebestreifen ist Teufelszeug!“
Alles, was nach Papier aussieht, riecht und schmeckt, das ist nach eigenen Angaben der Zuständigkeitsbereich von Melita Schluttenhofer. „Ich bin ein immaterielles Kulturerbe,“ schmunzelt die Buchbindermeisterin, die seit 33 Jahren im Armeemuseum arbeitet und damit die dienstälteste Mitarbeiterin ist. Zu ihren Aufgaben gehört es, Bücher zu restaurieren und weil zum Museum auch die Bayerische Armeebibliothek im ehemaligen Proviantamt gehört, sind es ca. 150 000 Bücher die theoretisch einmal einer „Sanierung“ bedürften. Nicht sofort, aber vielleicht in einigen Jahren oder Jahrzehnten, sogar Jahrhunderten: „Das Denken in langen Zeiträumen unterscheidet die Arbeit im Museum von anderen,“ sind sich der Museumsleiter und die Buchbindermeisterin einig. Und: „Wir lernen aus den Fehlern der Vergangenheit,“ betont Melita Schluttenhofer. Es ist Geduld gefragt, wenn sie z.B. ein durch Leim extrem verklebtes Buch in fieseliger Kleinstarbeit mit dem Skalpell bearbeiten muss. Licht, Feu8chtuigkeit und Papierfische sind stetige Bedrohungen für Schriftstücke uns Co. Und: „Klebestreifen sind Teufelszeug,“ gibt sie als Tipp mit auf den Weg. Die Folie fällt irgendwann ab, etwas klebt nichts mehr und übrig bleibt der Klebstoff, der sich braun einfärbt. Mehr solchet Tipps gefällig? Dann sollten Sie sich den 16. Juli vormerken.
Weil man in diesem Jahr 50 Jahre Armeemuseum am Standort Ingolstadt feiert (gegründet wurde das Museum 1879 in München), wird allen Interessierten die Möglichkeit gegeben, Spezialisten wie Melita Schluttenhofer bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen. Bei einem Tag der Offenen Tür am 16. Juli demonstrieren die Handwerker und Handwerkerinnen ihr Können – und zwar im zweiten Stock des Museums.
Bei all den Rüstungen, Modellen, Kleidungsstücken, Waffen, Gemälden und Dokumenten bleibt ein Objekt allerdings im wahrsten Sinne herausragend: „Unser größtes Objekt ist das Schloss!“ sind sich die Herren Reiß und Schönauer einig. Und das ist immer einen Besuch wert – auch wenn nicht gerade Tag der Offenen Tür ist.
Neues Prunkstück in der Dauerausstellung
Unter dem Titel “Sonne, Mond & Sterne” ist eine prächtige Reitgarnitur von Kurfürst Maximilian I. von Bayern ab sofort in der Dauerausstellung des Museums zu sehen. Sie wurde um 1620 durch Goldschmied Johann Michael aus Prag angefertigt. Wegen der orientalischen Ornamente wurde sie lange für “Türkenbeute” gehalten, aber sie war einfach nur in der Mode ihrer Zeit in einem orientalisierten Stil angefertigt worden.
Ein Blick hinter die Kulissen des Museums
16. Juli 2022, 11.00 Uhr bis 16.00 Uhr
Der Eintritt ist an diesem Tag kostenlos.
Alte Handwerkskunst
Von 11.00 bis 16.00 Uhr können die Besucherinnen und Besucher einen Blick hinter die Kulissen des Museumsbetriebes werfen. An diesem Tag zeigen die Handwerkerinnen und Handwerker ihr Können und man kann mit ihnen ins Gespräch kommen.
Fahrzeugschau
Im Hof des Neuen Schlosses werden historische Fahrzeuge präsentiert, die nur selten gezeigt werden können.
Kinderprogramm
Im Erdgeschoss können die Kinder in die Welt der Ritter eintauchen. Wie könnte das eigene Wappen aussehen, wie schwer ist ein Kettenhemd oder sehe ich überhaupt etwas, wenn ich einen Ritterhelm aufhabe. Dies und mehr können Kinder und Jugendliche in der Dürnitz erfahren.
Verkauf antiquarischer Bücher und Armeebibliothek
Mit einem Verkauf antiquarischer Bücher und der Vorstellung der Bestände ist die Bayerische Armeebibliothek präsent. Sie ist eine eigene Abteilung des Museums und eine öffentliche Bibliothek, die von jedem genutzt werden kann.
Vorführungen mit Vorderladern
Im Außenbereich wird es laut: Zu jeder vollen Stunde finden Vorführungen mit Vorderladern statt, die zeigen, wie aufwändig das Laden und vor allem wie laut diese Waffen waren.
Kurzvorträge
Abgerundet wird das Programm durch Kurzvorträge von etwa 20 Minuten zur wechselvollen Geschichte des Bayerischen Armeemuseums.
Bayerisches Armeemuseum
Paradeplatz 4
85049 Ingolstadt
Tel.: 0841/ 9377-0
www.armeemuseum.de