Eine Bombe, ein Festungsbau, der Kalte Krieg und Atomwaffen. Alles längst Vergangenheit? Von wegen. Wie aktuell die Thematik von Drohungen und Bedrohungen sowie der Suche nach Schutz ist, wurde bei der Eröffnung der Ausstellung „Eine bomben Aussicht“ im Stadtmuseum Ingolstadt klar. Dafür sorgte vor allem Kabarettist Christian Springer mit seinem Plädoyer für Freiheit.
Zunächst begrüßte Ingolstadts Kulturreferent Marc Grandmontagne die Gäste im Barocksaal des Stadtmuseums. Hier eröffne man eine Ausstellung, die nicht nur auf visuelle Weise zum Nachdenken aufrufe, sondern tief ins Bewusstsein eindringe. Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine sei die Angst vor einem Atomkrieg wieder erweckt worden. Unter dem Titel „Eine bomben Aussicht“ sind 31 Fotografien von Albert Kapfhammer ausgestellt, die Christian Springer an den unterschiedlichsten Örtlichkeiten zeigen – immer mit einer Aktentasche über dem Kopf. Warum? Weil es in einer Broschüre im Auftrag des (west)deutschen Innenministeriums zum zivilen Bevölkerungsschutz aus dem Jahr 1961 so drin stand: „Wenn der Atomkrieg kommt, schützen Sie sich unter anderem mit einer Aktentasche über dem Kopf.“ Auf dieser Grundlage entstanden nun „humorvoll-satirische Bilder, die einem auch den Ernst der politischen Lage derzeit vor Augen führen“, so Grandmontagne.
Von Amy Winehouse bis zur gruseligen Appeasement Politik gegenüber Putin
Seine Verbundenheit zu Ingolstadt betonte Christian Springer zu Beginn seiner Rede. Schließlich hat Walter Haber (der auch im Publikum saß) die Kabarettkarriere von Christian Springer über Jahrzehnte gefördert. Weniger bekannt durfte den Zuhörerinnen und Zuhörern die private Verbindung zur Region sein. Springer erzählte von seiner Mutter, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihren Geschwistern in Lenting untergebracht war und die Gnadenthal-Schule in Ingolstadt besucht hatte. Er sei mit vielen Geschichten über diese Zeit aufgewachsen. Und auch wenn das Zuhause beider Eltern von der US-amerikanischen und britischen Armee ausgebombt worden war, habe es keine Anschuldigungen gegeben: „Ich bin mit Solidarität zu den Amerikanern aufgewachsen.“ Natürlich sei er Pazifist und gegen Gewalt, aber „man muss sich wehren, wenn jemand kommt, der uns die Freiheit klaut!“

Diese Diebe der Freiheit – sie sind heute wie damals eine Gefahr. Auch das sei ein Aspekt der Ausstellung. Es sprach über die Schwäche der Demokratie, die aber eben auch Freiheit bedeute. Deswegen sei es umso wichtiger, sich für die Demokratie einzusetzen. Dass die hervorragenden Nachwuchskünstlerinnen Angelina Häussler und Plume Bousquet (städt. Simon-Mayr-Musikschule) unter anderem „Back to black“ von Amy Winehouse bei der Ausstellungseröffnung vortrugen, freute Christian Springer ganz besonders. Amy Winehouse werde in einigen Ländern der Welt nicht mehr gespielt, weil sie Jüdin war.
Mit Blick auf das Thema „atomare Bedrohung“, das der Ausstellung zugrunde liegt, warf er auch einen Blick auf Putins neue Doktrin, die einen Einsatz von Atomwaffen in allen möglichen Bedrohungsszenarien möglich macht. Ein besonderer Zynismus liege darin, dass die Ukraine nach dem Zusammenbruch der UdSSR zum drittgrößten Atomwaffenbesitzer der Erde zählte: „Die Ukraine ist das einzige Land auf der Erde, das alle seine Atomwaffen vernichtet hat!“ Eine Tatsache, die Putin entgegen komme: „Die Appeasement Politik mit Putin ist gruselig“, betonte Springer, der seit 10 Jahren mit einer eigenen Hilfsorganisation in Syrien tätig ist und dort durch die Russland-Iran Allianz immer wieder unter Beschuss gerät.

Seit 2021 verbietet der Atomwaffenverbotsvertrag nicht nur Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und Einsatz von Kernwaffen: „Seitdem ist es auch verboten, mit Atomwaffen zu drohen. Nicht unterschrieben haben diesen Vertrag die Atommächte. Deutschland hat auch nicht unterschrieben, warum auch immer,“ so Springer. Er berichtete über US-amerikanische Atomwaffentests auf dem Bikini-Atoll und den damals schamlosen Bikini, der tatsächlich als die erste anatomische Bombe beworben wurde. Und dass insgesamt 17 Atombomben durch die USA bislang „verloren“ wurden (eine davon liegt vergaben in Marokko) sorgte für Erstaunen bei den Zuhörerinnen und Zuhörern im Barocksaal des Stadtmuseums.
„Unter jeder Tasche ist mein Kopf“
Ein großes Dankeschön richtete Christian Springer an das Ausstellungsteam des Zentrums für Stadtgeschichte in Ingolstadt. Er lobte das Team um Matthias Nicklaus für Gastfreundschaft, Sachkenntnis und Mithilfe, die bis 17.15 Uhr (also 45 Minuten vor der Eröffnungsveranstaltung) angedauert hätten. Dazu bestätigte er, dass unter jeder Aktentasche (es ist übrigens die Tasche seiner berühmten Fonsi-Figur aus dem Bayerischen Fernsehen) auf den Fotos auch sein Kopf stecke und er gab zu: „Wir hatten eine Idee, aber sie ist uns komplett entglitten!“ Beim Betrachten der Bilder machen sich die Menschen ihre eigenen Gedanken, die weit über das zu Grunde liegende Thema hinaus gehen. Und das soll auch so ein. Darum beinhaltet die Ausstellung auch eine „Selfie“ bzw. Foto-Station, an der man eigene Aktentaschen-Fotos machen kann, die dann wiederum gesammelt werden.
Und wie kam die Ausstellung, die in Beirut ihre Premiere feierte, nach Ingolstadt? Darüber wusste Matthias Nicklaus zu berichten. Er hatte die Schau und den engagierten Kabarettisten in Regensburg kennen gelernt und wollte diese Begeisterung auch nach Ingolstadt tragen. Dazu hat man die Fotografien um Objekte aus Ingolstadt ergänzt, etwa eine entschärfte Fünf-Zentner-Bombe, die in der Sebastianstraße gefunden wurden, etliche Aktentaschen aus dem Stadtarchiv und Objekte wie einen Wassertank, Toiletten und Lichter aus der Atomschutzanlage, die heute als Theatertiefgarage Ost genutzt wird. Ausgestellt sind ebenfalls Origami-Kraniche, die auf Sadako Sasaki aus Hiroshima zurückgehen. Das Mädchen, das den Atombombenabwurf überlebt hatte, starb später an Leukämie. Zudem kann man vor Ort sein eigene Schutztasche aus Papier gestalten und das Ergebnis mit dem Hashtag #schutzistrelativ veröffentlichen. (ma)
Kurz notiert:
Eine bomben Aussicht
Fotoprojekt von Christian Springer und Albert Kapfhammer
bis 30. April 2025
Stadtmuseum im Kavalier Hepp
Auf der Schanz 45
85049 Ingolstadt
Tel. 0841 305-1885
E-Mail: stadtmuseum@ingolstadt.de
https://zentrumstadtgeschichte.ingolstadt.de
Tipp:
Das Zentrum Stadtgeschichte lädt am Mittwoch, 5. Februar um 15 Uhr zu einer Kuratorenführung ein: Der Kabarettist Christian Springer führt die Besucherinnen und Besucher durch die Sonderausstellung „Eine bomben Aussicht“. Bei dieser 90-minütigen Führung durch die Ausstellung sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Lachen, Nachdenken und selbst Handeln eingeladen.
Tickets zum Preis von 13,50 Euro für Erwachsene, ermäßigt für 11,50 Euro und 7,50 Euro für Kinder und Jugendliche sind im Onlineshop erhältlich unter https://zentrumstadtgeschichte.ticketfritz.de oder an der Kasse des Stadtmuseums, Öffnungszeiten von Dienstag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 10 bis 17 Uhr.