„Wie viele Frauen, die sich gegen das Nationalsozialistische Regime gestellt haben, kennen Sie?“ Diese Frage lockte bereits viele Besucherinnen und Besucher zur Ausstellung im Foyer des Neuen Rathauses: Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die Gleichstellungsstelle der Stadt Ingolstadt und das Zentrum für Stadtgeschichte stellen in Kooperation mit “Omas gegen Rechts” in der Ausstellung zehn Frauen vor, die jüdischen Bürgerinnen und Bürgern halfen, gefälschte Papiere besorgten oder Aktionen des Widerstands organisierten. Zwei davon – mit Bezug zur Region Ingolstadt – hat Agnes Krumwiede, freie Mitarbeiterin beim Projekt „Opfer des Nationalsozialismus“ am Zentrum Stadtgeschichte, aktuell erforscht.
Die Antidiskriminierungsstelle der Stadt bietet nun im Rahmen der Wochen gegen Rassismus, Interessierten eine Führung mit Agnes Krumwiede an: Treffpunkt ist am Dienstag, 25. März, um 12.15 Uhr im Eingangsfoyer des Neuen Rathauses. Bei einem anschließenden Kaffee oder Tee können Fragen gestellt und diskutiert werden. Die Teilnahme ist kostenfrei und benötigt keine Anmeldung.
Die Ausstellung kann weiter bis zum 30. April täglich zu den Öffnungszeiten des Neuen Rathauses kostenfrei, barrierefrei und ohne Anmeldung besucht werden. Öffnungszeiten sind Montag und Dienstag von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr und 13.30 bis 16 Uhr, Mittwoch und Freitag von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr und Donnerstag von 8.30 bis 12.30 und 13.30 bis 17 Uhr.
Die beiden aktuell erforschten Frauen mit Bezug zur Region Ingolstadt wurden bei der Vernissage im Foyer des Neuen Rathauses besonders gewürdigt:
Paula Schlier, geboren am 12. März 1899 in Neuburg an der Donau und gestorben am 28. Mai 1977 in Bad Heilbrunn, war “Reporterin undercover gegen den Nationalsozialismus”. Getarnt als naive Stenotypistin schleuste sich Paula Schlier 1923 beim „Völkischen Beobachter“ ein. In ihrem 1926 erschienenen Roman „Petras Aufzeichnungen“ verarbeitete sie ihre Eindrücke und entlarvte die dumpfen Motive der Nationalsozialisten.
Sophie Scholl (1921-1943) wurde zur Ikone des Widerstands. Etwa 600 Straßen und 200 Schulen sind nach ihr benannt. Wenig bekannt ist die Verbindung der Geschwister Scholl zum Kommunisten Richard Scheringer und seiner Frau. Regelmäßig waren Sophie Scholl und ihr Bruder Hans bei den Scheringers auf dem Köschinger Dürrnhof zu Besuch, zuletzt eine Woche vor ihrer Verhaftung. Richard Scheringer war in die Widerstandsaktivitäten der Geschwister Scholl eingeweiht. Sophie Scholl und ihr Bruder Hans gehörten zur studentischen Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Am 18. Februar 1943 wurden Sophie Scholl und ihr Bruder Hans beim Verteilen von Flugblättern in der Münchner Universität denunziert und verhaftet. Der erste Senat des Münchner Volksgerichtshof verurteilte die Geschwister Scholl und Christoph Probst wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ am 22. Februar 1943 zum Tod durch das Fallbeil. Das Urteil wurde noch am selben Tag vollstreckt.
Neben den aktuell erforschten Frauen mit regionalem Bezug zu Ingolstadt, porträtiert die Ausstellung das Engagement von Frauen wie Maria Seidenberger. Sie hat mit ihren Fotos den Familien der Häftlinge, die sie heimlich fotografiert hatte, ein Lebenszeichen geschickt. Kurz vor Kriegsende fotografierte sie auch den Todesmarsch, mit dem die SS die noch lebenden Häftlinge in Tod trieb.
Auch die Vielfältigkeit des Widerstands zeigt die Ausstellung. Frauen, die in der Schau vorgestellt werden, sind aus unterschiedlichen sozialen Herkünften und leisteten ganz unterschiedlichen Widerstand. So zum Beispiel auch die Geschichte der Tochter eines indisch-muslimischen Sufi-Meisters: Noor-un-Nisa Inayat Khan lässt sich bei der britischen Luftwaffe zur Spionin ausbilden und wurde 1944 in Dachau ermordet. Oder Maria Vaders, die zusammen mit den „Agfa“-Frauen womöglich das einzige Mal, das NS-Regime vor einer Gruppe KZ-Häftlinge kapitulieren ließ: Am 12. Januar 1945 stellten niederländische Zwangsarbeiterinnen in den Agfa-Werken München-Giesing ihre Arbeit ein. Eine von ihnen war Maria Vaders.

Barbara Deimel, Gleichstellungsbeauftragte und Antidiskriminierungsstelle freut sich, dass die Ausstellung, für die eine Vernissage im Rahmen des FEM*FESTIVALS organisiert wurde, nun auch noch während der Wochen gegen Rassismus gezeigt werden kann. Ihr ist wichtig, zu zeigen, wie ungerecht und menschenverachtend die Nationalsozialisten waren – und mit welcher menschlichen Größe, unermesslichen Tapferkeit und mit welchem herzenstiefen Mut Frauen sich diesem entgegensetzten.
Agnes Krumwiede, beim Projekt „Opfer des Nationalsozialismus“ am Zentrum Stadtgeschichte: „Unter Widerstand gegen den Nationalsozialismus sind vielfältige Aktivitäten gegen die NS-Ideologie und das NS-Regime zu verstehen. Lange Zeit fanden Widerstandskämpferinnen in Forschung und öffentlicher Wahrnehmung kaum Beachtung. Dies hat unterschiedliche Gründe, die nicht nur mit überalterten Rollenbildern zusammenhängen. Zum einen waren Menschen, die Widerstand geleistet haben, jahrzehntelang mit dem Vorwurf des Verrats konfrontiert. Viele haben lange über ihr Wirken gegen die NS-Diktatur geschwiegen. Außerdem waren sich insbesondere viele Frauen der Bedeutung ihrer Widerstandshandlungen nicht bewusst. Vor allem aber hat sich bis vor kurzem einfach niemand für ihre Geschichten interessiert.“
Kerstin Lang, „Omas gegen Rechts“: „Es gab zu jeder Zeit sehr mutige Frauen. Was die Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus noch mehr herausstellt , ist die Tatsache, dass sie im Kampf um Menschlichkeit um ihr Leben bangen mussten bzw. viele deshalb umgebracht wurden. Mit dieser Ausstellung möchten wir an diese mutigen Frauen erinnern.” (st-in)