„Das ist ein großer Schritt für unser Museum!“ Ein sichtlich begeisterter Museumsleiter Dr. Ansgar Reiß nahm die Presse in „seinem“ Haus in Empfang, um sie durch den neuen Dauerausstellungsbereich „Krieg und Frieden. Militär in Bayern 1870-1914“ zu führen. Im zweiten Stock des Neuen Schlosses geht es von der Oberen Kapelle in den Saal, der sich nun mit dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, der friedlichen Prinzregentenzeit und dem Vorabend des 1. Weltkriegs befasst. Dabei stehen nicht Politik und Diplomatie im Mittelpunkt, sondern das tatsächliche Geschehen, betonte Reiß: „Die Soldaten sind Menschen, die in diese Situation hineingeworfen sind.“

Empfangen werden Besucherinnen und Besucher von zwei Geschützen. „Wir treten in den Krieg ein!“ erklärt der Museumsleiter. Ein „Hingucker“ ist die gezogene Sechspfünder-Feldkanone des Prinzen Leopold von Bayern, das aus der eigenen Sammlung des Museums stammt. Sie wird von drei Kanonieren flankiert, die gerade einen Ladevorgang ausführen und damit auch auf eine technische Revolution verwiesen, denn es handelt sich hier um den ersten Hinterlader: „Damit vervielfacht sich die Energie des Geschosses.“ Wie komplex der Vorgang des Ladens war, wie das Geschütz transportiert wurde und wo es während des Krieges 1870/71 im Einsatz war, kann einer Medienstation entnommen werden, denn für den Feldsechspfünder C/61 ist nahezu jeder Einsatz-Tag dokumentiert. In den Vitrinen nebenan sind Beutestücke aus der Schlacht bei Wörth (im Unterelsass) zu sehen und gleich daneben nimmt eine monumentale „Momentaufnahme“ einen eigenen Raum im Raum ein. In einer extra konstruierten Rotunde ist ein fast zwölf Meter breites Panorama-Gemälde aus dem Jahr 1890 zu sehen, das als Vorlage für ein zehnmal so großes Panoramabild diente. Über eine Medienstation wird das Bild erklärt und „erlebbar“ – Geräuschkulisse inklusive. Überhaupt ist die Dauerausstellung durchzogen von digitalen Angeboten, die ein Eintauchen in die jeweiligen Themen erlauben. Einzelne Objekte aus der Ausstellung und die wertvolle Fotosammlung des Museums sind auch online abrufbar unter bayern.museum-digital.de.
Fotos, Rotes Kreuz und Luftabwehr
Die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert war eine Zeit des Wandels. Der Krieg war einerseits ein Treiber dieser Veränderungen, auf der anderen Seite wurden technische Innovationen militärisch genutzt. Die „gute, alte Prinzregentenzeit“ – eine Zeit der Aufrüstung? Auch davon erzählt diese Ausstellung. Es geht um die Fortschritte bei der Versorgung der Verwundeten, die Gründung des Roten Kreuzes, die Eisenbahn und den Einsatz des gerade erfundenen Telegraphen zur Nachrichtenübermittlung. Postkarten kamen in Mode und das Medium der Fotografie war prägend für diese Zeit – von der inszenierten Hoffotografie bis zum späteren Schnappschuss aus dem Lazarett. Ein „kurioses“ Objekt ist die Ballonkanone, die verhindern sollte, dass Ballone mit Nachrichten an Bord die Stadt Paris verlassen sollten: „Friedrich Krupp hat hier das erste Luftabwehrgeschütz entwickelt,“ erklärt Dr. Oliver Stein, der die Schau kuratiert hat, „allerdings hat es letztendlich keinen Ballon getroffen.“
Ein Mordsdrumm von einem Gemälde
Das größte Objekt in der Dauerausstellung ist ein Gemälde von Louis Braun. Es zeigt den Prinzregenten Luitpold und die Führungsriege des bayerischen Militärs bei der Frühjahrsparade auf dem Oberwiesenfeld im Jahr 1896 (das Gelände ist heute das Münchner Olympiagelände). Wer hier dargestellt ist und welche Position er inne hat, kann über eine Medienstation erkundet werden. Im Übrigen befindet sich links oben auf dem Gemälde auch ein Ballon, von dem aus Luftbilder gemacht wurden, die man ebenfalls digital aufrufen kann.
Das Königreich Bayern ist dem Deutschen Reich beigetreten und das preußische Militär wird zum Vorbild auch für die bayerischen Truppen. Wie so eine Karriere in Friedenszeiten verlaufen ist, zeigt das Beispiel von Major Gustav Adolf Grohe (1836-1916). Er war Kommandeur des 11. Bataillons des 10. Infanterie Regimentes in Ingolstadt. Hier waren nicht nur Truppen stationiert, hier wurden auch Kanonen produziert – davon zeugt eine Leihgabe der Stadt Ingolstadt: ein Gießkübel aus der Königlich Bayerischen Geschützgießerei und Geschoßfabrik.
Schließlich steht die große Katastrophe des 1. Weltkriegs „vor der Tür“. Aus auffällig glänzenden Uniformen werden Camouflage-Anzüge, Maschinengewehr und Flugzeug verändern die Kriegsführung.
Barrierefreiheit und Mehrsprachigkeit
In diesem Ausstellungsabschnitt kommt erstmals eine mediengestützte Besucherführung im Armemuseum (megbes) zum Einsatz. Mit dem eigenen Smartphone ist es damit möglich, sich alle Texte der Ausstellung in drei verschiedenen Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch), in größerer Schrift und mit mehr Kontrast anzeigen zu lassen. Zudem kann man sich die Texte von einer KI vorlesen lassen. Das System soll sukzessive auf die anderen Ausstellungen im Neuen Schloss ausgeweitet werden. Die Hörstationen sind mit einem Schleifenverstärker ausgestattet, was Menschen mit Hörverlust zu akustischer Barrierefreiheit im Alltag verhilft. (ma)
Kurz notiert:
Bayerisches Armeemuseum
Krieg und Frieden. Militär in Bayern 1870-1914
Dauerausstellung
Neues Schloss Ingolstadt
Paradeplatz 4
85049 Ingolstadt
www.armeemuseum.de
Bushaltestellen:
Paradeplatz, Technische Hochschule
Objekte/Fotografien:
bayern.museum-digital.de/
Katalog
Krieg und Frieden. Militär in Bayern 1870-1914
Hg. von Oliver Stein und Ansgar Reiß
ISBN 978-3-95976-558-9