Wenn Pfaffenhofens Kulturreferent Reinhard Haiplik bei seinen Stadtführungen nach dem „Brandner Kaspar“ fragt, dann kennen die Geschichte alle. Wenn es aber darum geht, wer das Theaterstück „Der Brandnerkaspar schaut ins Paradies“ geschrieben hat, dann herrscht meist Schweigen. So skizzierte Reinhard Haiplik beim Pressegespräch in Pfaffenhofen die Situation und machte das Problem deutlich: Der Schriftsteller Joseph Maria Lutz ist selbst den Einheimischen nicht immer ein Begriff. Mit den Paradiesspielen, die erstmals 2013 stattfanden, möchte die Stadt Pfaffenhofen den Schriftsteller wieder mehr in das Licht der Öffentlichkeit rücken. Doch es sind keine Lutz-Festspiele, die nun ab dem 10. Juni für acht Wochen die Stadt beleben, sondern ein Kulturfestival, das traditionelle bayerische Volkskultur mit der Moderne verbindet. 30 Veranstaltungen mit paradiesischem und bayerischem Bezug stehen auf dem Programm – vom Theater über Konzerte und Ausstellungen bis zur Lesung.
Der Lutz´sche Brandnerkaspar als Herzstück der Paradiesspiele
Im Zentrum der diesjährigen Paradiesspiele steht – wie schon 2018 – das berühmteste Theaterstück von Joseph Maria Lutz. Dieser „Mann voller Wiedersprüche“, wie Haiplik ihn beschrieb, hat die Erzählung „Die G’schicht’ von’ Brandner Kasper“ von Franz von Kobell als Grundlage für sein Bühnenstück genutzt und 1934 „Der Brandnerkaspar schaut ins Paradies“ veröffentlicht. Leider sei dieses Stück von der „verkitschten Wilhelm Fassung“ fast völlig verdrängt worden, bedauerte der Kulturreferent. In Pfaffenhofen kommt selbstverständlich der Lutz´sche Brandnerkaspar als Freilichtinszenierung auf die Bühne.
„Der Brandnerkaspar von Lutz ist mit Abstand der beste Brandnerkaspar, den es gibt!“ betonte auch Falco Blome, der wie 2018 die Regie für die Pfaffenhofener Inszenierung übernimmt. Er schwärmte von dem fast kammerspielartigen, kleinen Stück, das natürlich lustig sei, aber eben auch anrührende und emotionale Momente enthalte. Nur der Schluss wurde für die neue, zeitlose Inszenierung von ihm geändert: „Da fängt das Stück von Lutz an, volkstümelnd zu werden.“ Am 17. Juni ist Premiere auf dem Hauptplatz, acht weitere Aufführungstermine sind am 22./23./25./29. Juni, 2./ 7./ 8. und 9. Juli.
Profis treffen auf Bürgerbühne
Rund 40 Beteiligte werden an dem Schauspiel mitwirken – auf und hinter der Bühne, die Musik kommt von der Stadtkapelle Pfaffenhofen und beim Schauspiel wird es etliche neue Gesichter zu entdecken geben. Erstmals waren die Einwohner von Pfaffenhofen aufgerufen, sich für Rollen zu bewerben. Und das klappte ganz hervorragend, wie Falco Blome bestätigte. Da hätten sich unentdeckte Talente offenbart. Die zwei Hauptrollen werden auch dieses Mal von Profis übernommen: Die Rolle des Boanlkramers spielt wie 2018 Adelheid Bräu, den Brandnerkaspar gibt diesmal Thomas Weber, der mit ihr gerade im Blome-Stück „Holmes & Watson“ zu sehen war. Als Petrus wird übrigens wieder Josef „Sepp“ Kainz zu sehen sein.
„Lutz ist unser Anker bei diesem Festival,“ erklärte Sebastian Daschner, Kulturmanager der Stadt Pfaffenhofen. Doch rund herum um diesen Anker findet ein vielfältiges, paradiesisch-bayerisch-modernes Programm statt. Für einige Veranstaltungen ist der Eintritt frei. Für alle anderen Events gibt es ab Montag , 27. März Tickets im Vorverkauf auf okticket.de unter „Paradiesspiele“, in Pfaffenhofen im Kultur- und Tourismusbüro im Haus der Begegnung (Öffnungszeiten: Mo-Fr 13.30 – 17 Uhr) und im Intakt Musikinstitut, Raiffeisenstraße 33 in Pfaffenhofen sowie an der Abendkasse. Zudem sind Karten an allen gängigen Vorverkaufsstellen der Region erhältlich. (ma)
Das vollständige Programm ist ab dem 27. März online auf pfaffenhofen.de/paradiesspiele zu finden.
Ein Blick auf´s Programm:
Die vielfältigen Veranstaltungen des Festivals verbinden traditionelle bayerische Volkskultur mit der Modernen. Dass das Bayrische das wahre Hochdeutsch ist, zeigt am 15.Juli der Journalist Gerald Huber in einem unterhaltsamen aber auch anspruchsvollem Streifzug durch die bayrische Sprache, musikalisch untermalt von der Akkordeonistin Maria Reiter. Am 18. Juni gastieren Johanna Bittenbinder, Heinz-Josef Braun und Stefan Murr zusammen mit dem Art Ensemble Passau auf der Festspielbühne. Sie präsentieren die Erzählung vom Wildschütz „Jennerwein“ als ein Live-Hörspiel mit „vogelwilder Musik“. Für die kleinen Pfaffenhofenerinnen und Pfaffenhofener gibt es am Nachmittag die bayrische Version von „Robin Hood“ als Live-Hörspiel von Stefan Murr und Heinz-Josef Braun.
Am 5. Juli stellt der Journalist Achim Bogdahn seine paradiesische Reise zu den höchsten Gipfeln Deutschlands mit seinem Buch „Unter den Wolken“ an einem neuen, besonderen Veranstaltungsort vor: Das Springerbecken des Ilmbads wird in diesem Sommer Lese-Ort. Dort präsentieren auch Maria Hafner und Franz Josef Strohmeier Ende Juni „Kraftbayrisches aus der Bauern-Erotik“ mit Texten und Liedern des bayerischen Heimatdichters Georg Queri.
Um bayerische Volksschauspielkunst, aber auch um ein Kulturerbe, geht es bei dem Theaterstück, mit dem Michael Lerchenberg und sein Ensemble in der KulturAula am 21. Juli gastieren: Mit „Sturzflüge im Zuschauerraum“ hat der Schauspieler Lerchenberg, der als einer der brillantesten Valentin-Interpreten gilt, dem legendären Volkssänger ein komplettes Bühnenprogramm gewidmet.
Musik von der österreichischen Legende, Georg Kreisler, bringen am 28. Juli der bayerische Liedermacher, Maxi Pongratz und der bayerische Schauspieler und Sänger, Stephan Zinner, auf die Festspielbühne.
10 Jahre Lutz-Stipendium
2013 wurde das Lutz-Stipendium zu Ehren des bekannten Pfaffenhofener Schriftstellers ins Leben gerufen. Sein zehnjähriges Jubiläum begeht das Stipendium wieder mit einem Symposium. Die Stadt lädt, wie bereits 2018, zu einem mehrtägigen Arbeits- und Austauschtreffen. Die bisherigen Stipendiatinnen und Stipendiaten und weitere geladene Schriftstellerinnen und Schriftstellern kommen unter der Leitung des aus Pfaffenhofen stammenden Lyrikers und diesjährigen Jean-Paul-Preisträger Nico Bleutge zusammen. Sie geben im Anschluss an das Lutz-Symposium am 22. Juli eine Abschlusslesung im Rathaus.
Kultursommer als Teil der Paradiesspiele
Obwohl die Paradiesspiele den ganzen Sommer stattfinden, müssen sich Freunde und Fans des Kultursommers keine Sorgen machen: Thematisch eingebettet finden die großen und beliebten Open-Air-Veranstaltungen des Kultursommers auch 2023 während der Paradiesspiele statt.
Den Beginn macht die Internationale Nacht, die in diesem Jahr den Schwerpunkt Afrika hat. Beim „Zaabu Africa!“-Festival dreht sich alles um afrikanische Musik und Kultur. Wie gewohnt als Open Air am Hauptplatz mit Verpflegung durch die Pfaffenhofener Kulturvereine. Veranstaltet wird die Internationalen Nacht in einer Kooperation zwischen der Stadt, dem intakt Musikinstitut und dem Initiator Julian Oswald.
Die Lange Nacht der Kunst und Musik gibt es zum ersten Mal als zweitägige Veranstaltung. Am 30. Juni und 1. Juli wird bei der größten Open-Air-Veranstaltung in der gesamten Pfaffenhofener Innenstadt gefeiert: Unter anderem warten viele Live-Konzerte, Ausstellungen, Streetfood-Stände, ein Künstlermarkt, Walking Acts und ein großer Kinderbereich auf die Besucherinnen und Besucher.
Auch weitere Kultursommerformate finden ihren Platz in den Paradiesspielen: Am 23. Juni lädt die Stadtjugendpflege wieder zur Kurzfilmnacht auf der Ilminsel ein. Außerdem sind alle Fotografie-Liebhaber am darauffolgenden Tag zum Mitmachen bei der Fotogehgrafie eingeladen.
Das Open Park Festival PFA’HOFA im Ilmbad geht am 8. und 9. Juli in eine zweite Runde: Neben Badespaß, Konzerten von Bands aus der Region und gemütlicher Picknick-Atmosphäre gibt es zahlreiche Foodtrucks und ein Unterhaltungsprogramm für Kinder. Veranstaltet wird das Festival von der Arbeiterwohlfahrt (AWO), dem Jugendwerk der AWO, dem MetalCrew Kultur e. V. und dem Verein Oroboros in Kooperation mit der Stadt Pfaffenhofen.
Sommerliche Abende im Bürgerpark
Der Bürgerpark hat sich inzwischen als beliebte Konzertbühne etabliert. Bei den drei geplanten Bürgerparkkonzerten lassen sich die lauen Sommernächte auf der Picknickwiese voll und ganz auskosten. Zu Gast sind dieses Mal Kört Kabein mit bayerischem Rock am 13. Juli, Rad Gumbo mit bayerischem Blues und New Orleans-Soul am 20. Juli und die Unterbiberger Hofmusik mit bayerischer Volksmusik und Tradimix am 27. Juli.
Der Internationale Kulturverein Pfaffenhofen lädt ebenfalls im Rahmen der Paradiesspiele in den Bürgerpark ein. Am „Baum der Religionen“ findet am 14. Juni das alljährliche Friedensgebet mit Vertretern der christlichen, islamischen und buddhistischen Religionsgemeinschaften statt.
Noch mehr Musik im Bürgerpark gibt es im Rahmen des Klimaschutztages am Sonntag, 16. Juli. Im Anschluss an die Preisverleihung des diesjährigen Klimaschutzpreises gibt das Gitarren-Duo Tom & Häns ihre feine Akkustik-Musik zum Besten.
Hochkarätige Kunst und Musik
Kunst darf bei den Paradiesspielen natürlich nicht fehlen. Der Neue Pfaffenhofener Kunstverein zeigt von 16. Juni bis 23. Juli die Ausstellung „Fünf Tage im Garten“ von Günter Derleth. Der Fotokünstler zeigt in der Kunsthalle aktuelle Arbeiten, die alle mit der selbst gebauten Camera obscura, einer einfachen Lochkamera, gemacht wurden. Seit 1993 widmet sich Derleth der künstlerischen Arbeit mit der Camera obscura und bewegt sich dabei bewusst weg vom Digitalen, hin zu den Ursprüngen der Fotografie.
Auch die jährlich stattfindende Ausstellung Hallertauer Künstler, die alljährliche Werksschau regionaler Kunst in der Städtischen Galerie, ist von 17. Juni bis 16. Juli Teil der Paradiesspiele.
Die Galerie KUK44 zeigt die Ausstellung „Garten Eden – Maior autem est caritas“ von Massimo Danielis. Von 15. Juni bis 27. Juli sind in der Galerie die abstrakten Werke zu sehen, die sich mit paradiesischen Landschaften befassen, die sich wie aus einer Vogelperspektive in ungewöhnliche, Fleckerlteppich-ähnliche Motive verwandeln.
Die Paradiesspiele bieten noch weitere musikalische Highlights: Am 9. Juli laden Marie-Therese Dauber und Bärbel Speck-Betz zu einer Konzert-Matinee in den Festsaal ein. Auf dem Programm stehen Stücke zweier bayerischer Komponisten: Richard Strauss und Max Reger. An vier aufeinanderfolgenden Sonntagen finden in der Spitalkirche Konzerte im Rahmen von „MEMO! 2023“ statt. Die Zuschauer können sich bei den Konzerten des Kammerchors A-cappella-nova unter Leitung von Max Penger unter anderem auf die „Deutsche Bauernmesse“ von Annette Thoma und die „Krönungsmesse“ von Wolfgang Amadeus Mozart freuen.
Am 21. Juli präsentieren die Stadtkapelle Pfaffenhofen und De Stoakirchana unter dem Titel „Böhmische Liebe“ im Innenhof des Landratsamts böhmische und bayerische Blasmusik. Das Ensemble Phoenix nimmt sein Publikum am 3. August in der Spitalkirche mit auf eine Reise zwischen Himmel und Erde. Das Programm enthält unter anderem Werke von Georg Friedrich Händel, Wolfgang Amadeus Mozart, Franz Schubert, Arvo Pärt und auch Joseph Haas, einem bayerischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Das Ensemble besteht aus Dieter und Christiane Sauer (Geige und Bratsche), Marie-Therese Daubner (Violoncello), Stefan Daubner (Klavier), Thomas Hofer (Violine) und Julia Rempe (Sopran). (st-paf)
Mehr: pfaffenhofen.de/paradiesspiele