„Beckenboden mitschwingen! Mehr! Noch mehr!“ tönt es durch die Reithalle. Die Kommandos kommen von Romy Koschel, die gerade drei Reitschülerinnen unterrichtet. Noch kann sie das im Reitstall zur Lüften in Eichstätt tun, aber ihre Reitschule muss ausziehen. 10 Pferde inklusive.
Ihr ganzes Leben hat Romy Koschel dem Umgang mit Pferden gewidmet. Die Pferdewirtschaftsmeisterin (Reiten) mit reichlich Erfahrung im Turniersport und etlichen Zusatzqualifikationen hat im Kindesalter mit dem Reiten begonnen und sich nach der Ausbildung zur Pferdewirtin und einigen Jahren als angestellte Bereiterin 2004 selbständig gemacht. Im Reitstall Kochsmühle in Thalmässing, wo sie 13 Jahre tätig war, baute sie die Reitschule auf, die sie dann auch leitete. 2017 musste sie ihre eigene Reitschule zum ersten Mal in die Reitanlage Ingolstadt-Hagau umziehen, anschließend in die Reitschule an der Gabel (Gaimersheim) und dann in den Reitstall zur Lüften in Eichstätt. Dort unterrichtet sie seit fünfeinhalb Jahren pro Woche 30 bis 40 überwiegend Mädchen und Frauen („Ich hätte gerne mehr Männer, die das Reiten lernen wollen“) im Alter von nicht mal fünf bis über 60 Jahren. Das Herz des Unternehmens sind die acht bestens ausgebildete Schulpferde – darunter Alma (die Seele), Luis (der Geduldige) oder Filou (der Frechdachs), die seit 20 Jahren ihren Dienst tun. „Jedes meiner Schulpferde hätte jeden Tag einen Pokal verdient!“
Ein Pferd offenbart menschliche Stärken und Schwächen
„Reiten ist wie das wahre Leben,“ erklärt Romy Koschel. „Pferde sind unheimlich ehrlich. Das muss man vertragen!“ So werden die eigenen Schwächen durch das Tier schnell offensichtlich: „Wenn ich ein nervöser Mensch bin, dann kann ich das ruhigste Pferd auf die Palme bringen.“ In der Reitausbildung geht es nun darum, an sich zu arbeiten. Körpersprache, die richtige Haltung, die Kommunikation mit dem Tier – es will alles gelernt sein. Jeder Reitschüler und jede Reitschülerin muss sich die Rangordnung im Bezug auf das Pferd erarbeiten und dazu braucht es vor allem Geduld: „Eine Reiterausbildung dauert zehn Jahre und muss ein Leben lang verfeinert werden,“ betont Romy Koschel. Das lange, ehrliche an sich arbeiten ist allerdings immer weniger gefragt, beobachtet die Reitlehrerin. Selbstreflexion? Fehlanzeige: „Manch einer empfindet es als brutale Kritik. Dabei dolmetsche ich nur, was das Pferd sagt.“ Immer mehr Menschen würden deshalb auch die Reitausbildung abbrechen, so Romy Kuschel. Doch ein unausgebildeter Reiter ist für das (womöglich eigene) Tier eine Belastung.
Oberste Priorität hat für Romy Koschel das Wohl des Pferdes. Deswegen sieht sie es extrem kritisch, wenn die Tiere für Reitstunden pausenlos über Stunden im Einsatz sind, um den maximalen Profit herauszuholen: „Früher war das Schulpferd das wertvollste Pferd. Heute sind sie zu bedauern. Eine Reitschule ist keine Goldgrube, kein Wanderzirkus und kein Pferdeverleih. Sie ist eine Bildungseinrichtung,“ betont die Pferdewirtschaftsmeisterin. Pflegen, liebevoll behandeln, ordentlich füttern – das ist Grundvoraussetzung für eine gesunde Pferdehaltung, findet Romy Koschel. Und Bewegung muss sein – aber richtig, denn die regelmäßige und auf das Pferd abgestimmte Bewegung sorgt dafür, dass die Tiere gesund alt werden. Diesen liebe- und respektvollen Umgang mit den Tieren vermittelt sie auch in ihrer Reitschule, indem die Reiterinnen und Reiter sich auch vor und nach der sportlichen Einheit um das Tier kümmern.
Neuer Standort gesucht!
In Deutschland ist aus der Sicht von Romy Kuschel ein Reitschulsterben zu beobachten, weil die Infrastruktur für diese Schulen wegbricht und es keiner mehr machen will. Sprich: die Reitschulen finden immer seltener passende Ställe oder Reitanlagen. Jetzt hat es auch Romy Koschel erwischt. Sie muss für ihre Schule samt Schulpferden eine neue Heimat finden: „Mein Traum ist eine Reitschule mit den Rahmenbedingungen wie z.B. im Gut Aufeld der Ingolstädter Lebenshilfe.“ Denn für ihren Betrieb und ihre Schülerinnen und Schüler braucht sie neben den obligatorischen Einrichtungen wie Halle, Reitplatz, Koppel, Außenfläche, Schulungsraum, Parkplatz etc. vor allem eines – nämlich Ruhe! Etliche Kinder mit ADHS und auch Menschen mit Beeinträchtigungen besuchen die Reitschule und die brauchen ein ruhiges Lernumfeld.
Dass ein Aus für viele ein echter Schlag wäre, zeigt sich an den Aussagen der begeisterten Schülerinnen: „Es hoppelt so schön!“ meint die vierjährige Mia, die nach jeder Reitstunde traurig ist, weil die Zeit schon wieder um ist. „Ich habe viel über mich und meinen Körper gelernt“, meint Tina Bauer, die zusammen mit ihrer Tochter Reitunterricht nimmt und die 29-jährige Nadine Röttenbacher, die mit acht Jahren mit dem Reiten begonnen hat, nimmt seit sie elf ist Reitstunden bei Romy Koschel. Dabei hat sie auch jeden Reitschulumzug mitgemacht: „Ich bin die hartnäckigste Reitschülerin“, schmunzelt sie. Mit Wallach Dodo hat sie sich den Traum erfüllt, ein eigens Pferd aufzuziehen, anzureiten und auszubilden. Jugendtraum erfüllt – das gilt für Melanie Kobell, die in fortgeschrittenem Alter mit dem Reiten begonnen hat: „Ich dachte nach sechs Wochen Kurs kaufe ich ein Pferd und kann reiten. Dank der Reitschule bin ich jetzt kein Pferdebesitzer. Ich habe erkannt, dass es eine fundierte Ausbildung braucht.“ Die 13-jährige Ida, die an ADHS leidet, schreibt: „Es beruhigt mich und wenn man z.B. einen langen Tag hatte, kann man einfach abschalten.“ Für die 11-jährige Lucia ist das Reiten das beste Konzentrationstraining, das sie so fordert, dass ihr die Schule dagegen leichter fällt und die gleichaltrige Amelia, die bereits drei Reitabzeichen bei Romy Koschel gemacht hat, meint: „Ich habe hier ganz viel über Pferde und Reiten gelernt, vor allem mich gut und selbstständig um ‚mein‘ Pferd zu kümmern. Romy erkennt unsere natürlichen Schiefen und Schwächen und trainiert uns individuell mit Übungen am Boden und auf dem Pferd.“ Die 13-jährige Lona stellt klar: „Romy ist für mich einfach die beste Reitlehrerin mit den tollsten Schulpferden!“
Die Zukunft muss nun zeigen, ob und wo Lucia, Tina, Ida und Co. ihre Reitstunden absolvieren können. Ein komplettes Konzept können Interessierte bei Romy Koschel anfordern. „Vielleicht findet sich ein Sponsor oder auch ein Betrieb, der sich zu einer Reitschule umfunktionieren lässt.“ (ma)
Kurz notiert:
Reitschule Koschel
Romy Koschel
Pferdewirtschaftsmeisterin
Tel.: 0170 6222969
Mail: romy.koschel@gmail.com