Lesung: Holzfällen. Eine Erregung
Thomas Bernhards Holzfällen ist eine gnadenlose Abrechnung mit Wiens bürgerlicher
Gesellschaft. Von seinem Ohrensessel aus beschreibt der Erzähler ein „künstlerisches
Abendessen“ im Haus des Komponisten Auersberg und dessen Gattin. Man erwartet
einen berühmten Burgschauspieler, der, kaum eingetroffen, über den künftigen neuen
Burgtheaterdirektor aus Deutschland herzieht: „Mir ist es vollkommen gleichgültig, wer
der neue Mann ist, der ins Haus kommt; ihm sei das immer gleich gewesen, er habe
zehn oder elf Burgtheaterdirektoren überlebt, sagte der Burgschauspieler, alle sind sie
verschwunden, kein Mensch erinnere sich heute überhaupt noch an die Namen dieser
Leute.“ Der Roman war kaum erschienen, da wurde er in Österreich am 29.8.1984 auf
gerichtliche Anordnung aus den Buchhandlungen beschlagnahmt und blieb wochen-
lang verboten.
Es war ein Wiener Literaturkritiker, der einen „Schlüsselroman“ witterte und einen in
diesem Buch angeblich dargestellten Komponisten zu einer Klage anstiftete, die erst
im Februar 1985 zurückgezogen wurde…
Wer in Holzfällen allerdings mit Sicherheit dargestellt ist, ist der Vortragende dieses
ideal besetzten Leseabends selbst: Claus Peymann, der damals als künftiger Theater-
direktor bereits seine Schatten vorauswarf, um dann 13 Jahre lang das Wiener
Burgtheater zu leiten.