Ausstellung: Vergessene Welten und blinde Flecken

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    Die Stadtbücherei Ingolstadt zeigt im Herzogskasten von Montag, 5. Dezember bis 7. Januar eine Ausstellung zur medialen Vernachlässigung des Globalen Südens. 14 Schautafeln bilden die Ergebnisse einer Langzeitstudie ab, die von Ladislaus Ludescher, Lehrbeauftragter am Historischen Institut der Universität Mannheim, erarbeitet wurde. Grundlage der Ausstellung ist die Auswertung der Berichterstattung der Tagesschau-Hauptsendungen von 2007 bis 2021. Die Ausstellung wird im dritten Obergeschoss der Stadtbücherei präsentiert und kann zu den Öffnungszeiten kostenfrei besucht werden.

    Herr Ludescher, worum geht es in der Ausstellung „Vergessene Welten und blinde Flecken“?
    Die Ausstellung „Vergessene Welten und blinde Flecken“ beruht auf einer gleichnamigen Studie, die stetig fortgesetzt wird und an der ich mittlerweile ca. 10 Jahre gearbeitet habe. In der Ausstellung geht es um die Frage, über welche Länder und Regionen sogenannte Leitmedien wie die „Tagesschau“ berichten und vor allem auch, welche Gebiete nicht oder kaum erwähnt werden. Es zeigt sich, dass die Länder des Globalen Südens – früher auch Dritte Welt-Staaten oder Entwicklungsländer genannt – in den Nachrichten massiv vernachlässigt werden. Nur ein Bruchteil der verfügbaren Sendezeit entfällt auf diese Staaten.

    Was hat Sie persönlich bewegt, der Frage nachzugehen, wie die Medien über Teile unserer Welt berichten oder eben nicht?
    Die Frage, worüber berichtet und insbesondere worüber nicht berichtet wird, ist von allergrößter Bedeutung. Der Soziologe Niklas Luhmann schrieb einmal: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“ Medien haben also eine sehr große Verantwortung, da sie entscheiden, welche Meldungen es in die Nachrichten schaffen und sie dadurch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit lenken können. In Nachrichtensendungen wie der „Tagesschau“ fiel mir auf, dass über manche Staaten – die Länder des Globalen Südens – nur sehr selten berichtet wurde. Das war zunächst jedoch nur ein subjektiver Eindruck, den ich gerne durch eine empirische Untersuchung verifizieren wollte. Die Zahlen haben gezeigt, dass der Globale Süden sogar noch mehr vernachlässigt wird, als ich zunächst angenommen hatte.

    Wenn Sie auf Ihre Ergebnisse blicken, was hat Sie daran am meisten überrascht?
    Überraschend war für mich – und diese Rückmeldung erhalte ich auch immer wieder von Personen, die sich mit den Ergebnissen der Studie bzw. Ausstellung beschäftigt haben – der Grad der Vernachlässigung der Länder des Globalen Südens. Dass diese Staaten in den Nachrichten nur eine sehr untergeordnete spielen, ist vielen Beobachtern klar. Aber wie stark der Globale Süden z.B. in der „Tagesschau“ vernachlässigt wird – das wird auf den entsprechenden Karten der Ausstellung deutlich – ist für viele doch eine Überraschung. So erging es mir auch, als ich die konkreten Ergebnisse zum ersten Mal visualisiert sah.

    Mit Blick auf unsere heutige Zeit: welche Studienergebnisse sind in der aktuellen Ausstellung verarbeitet?
    Ich habe die Studie in den vergangenen Jahren fortgesetzt, so auch für die „CoronaJahre“ 2020 und 2021. In dieser Zeit hat sich die Vernachlässigung des Globalen Südens sogar noch weiter intensiviert und das, obwohl viele Staaten wie Indien und Brasilien massiv von den Auswirkungen des Virus betroffen waren bzw. sind. Im Jahr 2020 hat die „Tagesschau“ in ca. 50% ihrer Sendezeit über das Virus berichtet. Von dieser Sendezeit entfielen aber nur 5% (!) auf die Länder des Globalen Südens. In etwa Zweidrittel der „Corona-Sendezeit“ beschäftigte sich die „Tagesschau“ mit den Entwicklungen in Deutschland, in etwa 29% der Zeit mit dem Folgen im Globalen Norden, insbesondere in den EU-Ländern und den USA.

    Was ist das Ziel Ihrer Arbeit, was möchten Sie gerne vermitteln? Wobei kann uns Ihre Arbeit helfen?
    Mein Ziel ist es, auf einen Missstand hinzuweisen. Bei diesem handelt es sich um die massive Vernachlässigung des Globalen Südens in den Medien und im öffentlichen Bewusstsein. Eine konsequente Berichterstattung ist die Voraussetzung für das Verständnis und letztlich auch die Lösung von Problemen. Wenn Medien nur „heimische“ bzw. „westliche“ Themen aufgreifen, sind sie anfällig für blinde Flecken, zu denen der Globale Süden gehört. Es gilt, die Aufmerksamkeit auf diese vergessenen Welten zu lenken, wo sich teilweise tagtäglich Katastrophen ereignen, die wir nur am Rande oder sogar gar nicht wahrnehmen. Jeden Tag sterben z.B. über 20.000 Menschen an den Folgen von Hunger. Dennoch wird in den Nachrichten hierüber fast gar nicht berichtet. Wenn Katastrophen, die sich jeden Tag ereignen, für alltäglich genommen werden und deswegen nicht mehr in den Nachrichten erscheinen, ist damit ein hohes Gefahrenpotential verbunden, weil wir dadurch für manche Probleme desensibilisiert werden. Ich hoffe, dass die Ausstellung dem ein wenig entgegentritt und die Besucher auf diesen Missstand aufmerksam macht. Meine Hoffnung ist es auch, dass sich die Besucher an die untersuchten Medien oder an ihre politischen Vertreter wenden und diese auffordern, den Globalen Süden stärker in den Fokus zu nehmen.

    Was ist Ihr nächstes Projekt?
    Ich möchte gerne untersuchen, wie „nichtwestliche“ ausländische Staaten die Welt medial wahrnehmen. D.h. wie die Berichterstattung in den Ländern des Globalen Südens, z.B. in afrikanischen oder lateinamerikanischen Staaten, aussieht. Interessant wäre auch eine Untersuchung der Medien und Berichterstattung in China und Russland.

    In der 1. Jahreshälfte 2022 setzte sich laut Ladislaus Ludescher die Marginalisierung der Länder des Globalen Südens weiter fort und erreichte ein beispielloses Ausmaß, so dass man von einem umfangreichen Ignorieren dieser Staaten sprechen muss. Der Einmarsch russischer Truppen im Februar in die Ukraine führte zu weitreichenden Auswirkungen auf zahlreichen Ebenen und hat dementsprechend in der ersten Jahreshälfte die Corona Pandemie als dominierendes Thema in den Nachrichten abgelöst. Insgesamt beschäftigte sich die „Tagesschau“ in etwa 41 % ihrer Bericht-Sendezeit mit dem Ukraine-Krieg und
    seinen Auswirkungen. Auf die Pandemie entfielen etwa 11 % der Sendezeit aller Berichte (2020 waren es circa 45 % und 2021 etwa 35 %): “Was Befremden hervorruft ist, dass dramatische Katastrophen, die sich zeitgleich im Globalen Süden ereigneten, randständig oder erst gar nicht aufgegriffen wurden.” (ll)

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