Selbstbewusstes Stadttheater für eine ganze Region

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    Mit dem Spielzeitmotto „Von Recht und Gerechtigkeit“ startet des Stadttheater Ingolstadt in eine besondere Saison. Es ist die letzte Spielzeit, für die Intendant Knut Weber verantwortlich zeichnet. Im Interview spricht er über Vergangenes und Zukünftiges.

    Herr Weber, wie kam es zum Motto „Von Recht und Gerechtigkeit“?

    Ein Motto entsteht in der Erarbeitung eines Spielplans. Als wir uns überlegt haben, was denn die brennenden Themen unserer Zeit sind, kamen wir immer wieder auf das Thema Gerechtigkeit. Das treibt unsere Gesellschaft ja auch um. Hier gibt es viele Nebenaspekte wie Wut oder andere Dinge. Wir haben einen Spielplan, der dieses Thema über weite Strecken in den Fokus nimmt. Ob das eine Überschreibung der Orestie ist, die ja das große Thema Gerechtigkeit und Rache beinhaltet oder ob das unser Anfangsprojekt „„SPUREN UND GEISTER“ – ein Händel Oratorium gemeinsam mit dem Georgischen Kammerorchester – ist, in dem es um Generationengerechtigkeit und den Umgang mit der Natur geht. Dieser Spielplan deckt das Thema in vielfältiger Weise ab bis hin zum Musical „Cabaret“, in dem ja auch die Machtergreifung 1933 eine Rolle spielt. Auch das hat viel mit Recht und Gerechtigkeit zu tun.

    Theater – ist das nicht immer aktuell, auch wenn Stücke wie die Orestie 2500 Jahre alt sind?

    Ja, aber es darf nur nicht tagespolitisch sein. Es sind immer Themen, die die Menschen umtreiben. Im Spiel vergewissern sich die Menschen über sich selbst und ihre Themen und weil das Theater eine Kunstform ist, können wir das lustvoll machen und so präsentieren, dass es nicht allein um den Gedanken geht, sondern dieser spielerisch in einen Abend eingewoben wird. Das macht das Theater ja so faszinierend. Der andere Aspekt ist natürlich das Vergnügen und die Unterhaltung, auch das soll seinen Ort haben. Theater will unterhalten und regt an zur Unterhaltung.

    Ist das immer noch spannend für Sie, wie Menschen auf Stücke und Inszenierungen reagieren? Wie bekommen Sie mit, wie die Reaktionen ausfallen?

    Das ist oft unerwartet. Ich persönlich werde oft in der Stadt angesprochen und bekomme ein Feedback, das in der Regel positiv ist. Wir bekommen Mails, erhalten Zuschriften und haben auch Diskussionsveranstaltungen im Haus und versuchen den Kontakt zu unseren Abonnentinnen und Abonnenten sehr eng zu halten, weil ich das sehr wichtig finde. Dieser Kontakt ist sehr intensiv und das ist auch gut so, weil wir es ohne sie schwer hätten. Wir haben knapp 5000 Abonnentinnen und Abonnenten. Darauf sind wir stolz. Während der Corona-Pandemie haben wir nur etwa 350 verloren und unser Ehrgeiz besteht darin, auch die wieder hereinzuholen. Aus den Abonnentinnen und Abonnenten entsteht jedenfalls auch ein großes Feedback, so dass wir wissen, wie unsere Inszenierungen ankommen. Und das Tolle an unserem Haus ist, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer unser Ensemble so sehr mögen. Es gibt eine große Identifikation mit dem Haus und mit den Schauspielerinnen und Schauspielern. Das steht echt auf der Habenseite.

    Ihnen war es von Anfang an ein Anliegen, nicht nur Menschen in das Theater zu holen, sondern das Theater auch in die Stadt zu tragen? Ist das rückblickend gelungen?

    Wir haben diese Dramaturgie aus der Glasfront dieses Theaters entwickelt. Transparenz, die das Leben rein lassen soll und uns ins Leben hinaus spült. Ich glaube, das ist voll aufgegangen. Die ersten fünf Spielzeiteröffnungen waren wirklich spektakulär, aber auch die vielen Downtown-Projekte tragen das Theater hinaus. Oder auch unsere Sparte „Junges Theater“ im Pius-Viertel, wo wir Projekte und Veranstaltungen für die Menschen vor Ort machen. Das Projekt „Murmeln“, das in der Aula der Christoph Kolumbus Schule gestartet und überall im Stadtgebiet herumgereist ist, ist so ein Herzensprojekt von uns allen. Es bedeutet eine größtmögliche Nähe von Bevölkerung und Theater. Wir sind kein Elfenbeinturm, wir sind kein elitärer Club und darauf legen wir großen Wert.

    Die spektakulären Spielzeiteröffnungen wie hier im Jahr 2014 unter dem Motto „Ins Offene“ haben das Theater in die Stadt transportiert. (Foto: Ludwig Olah)

    Hatten Sie nach Corona das Gefühl, die Leute kommen eher zögerlich oder war das kein Problem?

    Die Corona-Zeit war ein Alptraum. Jeden Tag neue Dispositionen, Planungen, Abstand auf der Bühne, kaum Menschen im Zuschauerraum, das war wirklich fürchterlich. Das ist vorbei, aber wir haben am Anfang schon bemerkt, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer zu Beginn etwas verhalten waren. Aber jetzt sind sie wieder da und zwar in voller Stärke. Wir haben wieder 85 Prozent Platzausnutzung wie vor Corona. Wir können uns überhaupt nicht beklagen, ganz im Gegenteil. Wir merken jetzt, dass die Menschen ein Stück weit ausgehungert waren und nun wieder Kunst und Kultur nachfragen und das ist ein gutes Gefühl.

    Stadttheater Ingolstadt – das heißt ja nicht, dass nur die Ingolstädterinnen und Ingolstädter das Theater besuchen. Sie bedienen ja die komplette Region.

    Wir haben im Schnitt pro Spielzeit 145 000 Zuschauer und Ingolstadt hat nicht ganz so viele Einwohner. Natürlich kommen diejenigen mit einem Abonnement mehrfach, aber wir wissen, dass die meisten Abonnentinnen und Abonnenten aus dem Umland kommen. Das war unser Problem bei der Abstimmung über die Kammerspiele, weil die alle nicht mitstimmen durften. Und diese unsägliche, populistische Kampagne hat dann eben bewirkt, dass man uns als elitäres Haus darstellen wollte. Aber wir sind eigentlich das Gegenteil davon.

    Kommen Sie über diesen Bürgerentscheid hinweg?

    Das sitzt tief.

    Wie sieht es mit den neuen Ideen zum Kleinen Haus aus? Der ehemalige Kaufhof ist ja stark im Gespräch?

    Ich bin sehr gespannt. Es werden ja drei Alternativ-Standorte diskutiert, also Kaufhof, Turm Baur und das alte Hallenbadgelände. Alle drei werden auf ihre Machbarkeit überprüft. Ich hoffe, dass der Stadtrat im Frühherbst eine Entscheidung trifft, die dieses Mal hoffentlich verbindlich ist. Der Kaufhof ist natürlich ein attraktiver Ort. Wenn es dort gelingt, das Junge Theater zu integrieren, wäre dann auch tagsüber in dieser Ecke für Betrieb gesorgt.

    Stichwort Junges Theater und junges Publikum. Wie erreicht man die Leute heute? Tageszeitung allein ist da sicherlich nicht mehr ausreichend…

    Die digitale Sparte X, die wir während Corona gegründet haben, hat uns in dieser Zeit sehr geholfen und solange ich hier bin, bleibt diese Sparte auch. Es handelt sich im Grunde genommen um eine neue Kunstform und nicht nur eine Werbestrategie. Wir haben ein Team, das uns tolle ästhetische Produkte liefert und kooperieren mit dem Staatstheater Augsburg, das im Bereich digitales Theater führend ist. Gemeinsam haben wir „Ein Flanellnachthemd“ von Leonora Carrington erarbeitet, ein spannendes Projekt. Und unsere Zuschauerinnen und Zuschauer der Sparte X kommen aus der ganzen Welt. Es gibt keine Grenzen. Das ist das Tolle. Und was das Junge Theater betrifft: Wir haben mit drei Schauspielern angefangen und jetzt besteht die Sparte aus 15 bis 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Mit 50 000 Besucherinnen und Besuchern pro Spielzeit ist das Junge Theater eine Erfolgsgeschichte und es ist auch aus dem Theater und der Stadt nicht mehr wegzudenken. Zum Abschluss der neuen Spielzeit werden wir die Bayerischen Theatertage veranstalten, die auch in der gesamten Stadt Präsenz zeigen sollen.

    Sie sind 2011 nach Ingolstadt gekommen. Hat sich die Stadt verändert?

    Corona hat viel verändert. Das merkt man, wenn man durch die Straßen geht. Der Leerstand in der Innenstadt ist beachtlich. Die Stadt hat sich verändert, aber auch mein Blick auf die Stadt hat sich verändert, nicht zuletzt durch die Kampagne gegen die Kammerspiele. Aber das Publikum und das Theater sind zusammengewachsen, sie stehen zueinander und es ist wichtig, dass die Stadtgesellschaft zeigt, dass nicht alle gegen Kunst und Kultur sind. Es gibt eine große Phalanx, die für die Kultur einsteht.

    Als Sie Ihre Stelle antraten, war ja schon längst eine Sanierung des Stadttheaters im Raum gestanden. Jetzt wird immer noch nicht saniert. Gibt man da irgendwann auf und überlässt das dem Nachfolger oder gar dem Nach Nachfolger?

    Nein, da gibt man überhaupt nicht auf. Im Gegenteil. Wir müssen jetzt versuchen, das Haus spielfähig zu halten. Es wird permanent investiert – auch in Sicherheit, Klimaanlage, Elektrotechnik und Brandschutz. Da passiert jedes Jahr sehr viel, damit wir überhaupt die Spielgenehmigung erhalten und es uns nicht so geht wie Augsburg, dort musste das Theater von heute auf morgen geschlossen werden. Trotzdem haben sich die Arbeitsbedingungen nicht geändert. Die sind absolut unzumutbar und nicht tolerabel. Das muss man so deutlich sagen. Das entspricht in keinster Weise modernen Standards.

    Das heißt dann aber auch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so mit Herzblut dabei sind, dass sie das alles wegstecken?

    Ich hoffe, dass das so bleibt. Irgendwann ist die Geduld am Ende und wir haben wie alle Betriebe mit einen Facharbeitermangel zu kämpfen. Wenn dann der Arbeitsplatz nicht attraktiv ist, dann haben wir ein noch größeres Problem.

    Wenn sie auf Ihre Zeit als Intendant zurückblicken, an welche Inszenierungen erinnern Sie sich besonders gern?

    An die Spielzeiteröffnungen, von denen wir bereits sprachen, wie die „geheimen Gärten von Ingolstadt“ denke ich sehr gerne zurück. Das war ein großer Kraftakt, wenn man bedenkt, nur für einen Abend so einen Aufwand zu betreiben. Der Plan war, dass sich solche Abende in die Erinnerung einschreiben und das ist auch passiert. Ansonsten bleiben natürlich einige Inszenierungen in guter Erinnerung. „Jedermann stirbt“ war eine hervorragende Arbeit, aber auch an die Kinderoper „Ein Fuchs hat den Verstand verloren“ erinnere ich mich sehr gerne.

    Der viel beachtete „Woyzeck“ in der unvergleichlichen Inszenierung des Badischen Staatstheaters Karlsruhe stand ganz zu Beginn der Intendanz 2011 von Knut Weber auf dem Spielplan (Foto: Jochen Klenk)

    Wie wird das Stadttheater Ingolstadt im Umfeld und auch von anderen Theatern wahrgenommen? Hat man in Bayern ein gutes Standing?

    Ja. Definitiv. Um uns herum wird ja alles Staatstheater und wir sind selbstbewusst ein Stadttheater. Der Begriff wird von uns auch sehr ernst genommen. Unser Standing ist super, ich kann mich in keinster Weise beklagen. Durch Regisseure wie Peymann, Heyme oder Kresnik haben wir schon für ein erstauntes Augenbrauenheben bei vielen Kolleginnen und Kollegen gesorgt.

    Und Sie haben ja auch immer tolle Gastspiele „an Land gezogen“…

    Wir pflegen gute Kontakte zum Staatstheater Meiningen und dem Salzburger Landestheater, aber auch nach Augsburg und Nürnberg. Im Bereich Tanz sind das besonders Gauthier Dance und jetzt kommt auch das Bayerische Staatsballett wieder. Darauf sind wir sehr stolz. Das bürgt für eine hohe Qualität. Wir haben ja keine eigene Oper und keine Sparte Tanz, umso wichtiger ist es, dass wir da einen breiten Spagat zeigen mit sehr unterschiedlichen ästhetischen Handschriften. Gerade in bestimmten Bereichen wie Tanz haben wir auch Zuschauer und Zuschauerinnen, die bis aus München oder Nürnberg zu uns kommen.

    Gibt´s ein Projekt, das Sie noch gerne realisiert hätten, aber nun zeitlich nicht mehr umsetzbar ist?

    Tausende (lacht). Die Ideen hören ja nicht auf. Was mich am meisten schmerzt ist, dass wir „Hunger und Gier“ nicht mehr spielen können. Da war schon viel Herzblut dabei. Aber man kann auch mit einer gewissen Genugtuung auf die Zeit zurückblicken. Unsere Spielpläne waren immer gut und anspruchsvoll. Es ist ja nicht so einfach in einer Stadt wie Ingolstadt eine Mischung aus Unterhaltung und Anspruch zu finden. Auch Unterhaltung ist Anspruch, das muss man auch können, aber es muss eben auch ein inhaltlicher Anspruch gegeben sein. Diese Vielfalt war uns immer wichtig, denn wir sind das Kulturzentrum zwischen München und Nürnberg, zwischen Augsburg und Regensburg. Wir haben Abonnentengruppen aus dem gesamten Spielgebiet, die mit Bussen ankommen und über eine Stunde Fahrt auf sich nehmen, um ins Theater zu kommen. Davor habe ich höchsten Respekt.

    Das Projekt „Hunger und Gier“ konnte nur viermal aufgeführt werden, dann kam Corona. Eine Wiederaufnahme wäre zu aufwändig, was Knut Weber sehr bedauert (Foto: David Baltzer)

    Wenn nun mit Oliver Brunner ab der Spielzeit 2024/25 ein neuer Intendant kommt, wie muss man sich den Übergang vorstellen?

    Es gibt einen fließenden Übergang. Da, wo ich ihm helfen kann, helfe ich ihm gerne. Wo er seine Akzente setzen will, lass ich ihn in Ruhe. Wir arbeiten kollegial nebeneinander, es ist alles sehr unaufgeregt. Da er das Ensemble komplett übernehmen will, gibt es auch da keine Unruhe.

    Wie sieht Ihr Lebensweg ohne Stadttheater Ingolstadt aus?

    Ich freue mich drauf, dass ich andere Texte lesen kann als nur Stücke. Vielleicht werde ich im Weinbau dilettieren. Das ist ähnlich kontemplativ wie lesen.

    Das ist ein guter Plan!

    Finde ich auch (lacht).

    Kurz notiert:

    Stadttheater Ingolstadt
    Spielzeit 2023/24
    „Von Recht und Gerechtigkeit“
    Spielzeitcocktail am 23. September

    Schlosslände 1
    85049 Ingolstadt
    Theaterkasse
    Tel.: 0841/ 305 47 200
    Mail: theaterkasse@ingolstadt.de
    Web: theater.ingolstadt.de

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